revolver besorgen

Helena Waldmann | Deutschland


Kann man die Demenz tanzen? «revolver besorgen» von Helena Waldmann schafft ein überwältigendes Porträt dieser Krankheit und all ihrer Erscheinungsformen. Ein groteskes, auch heiter humorvolles Tanzstück, in dem es um das Vergessen und die alles einnehmende Präsenz des Augenblicks geht. Die grandiose Tänzerin und ehemalige Primaballerina Brit Rodemund zeigt den Balanceakt zwischen dem Glück des Hier und Jetzt und irren Abgründen. Selbst in erschütternden Momenten bewahrt sie ihrer Figur die Würde, die ein Mensch zum Menschsein braucht. Das Ballett wird dabei zum Symbol für die Dressurleistung, die uns das Leben abverlangt.


Heute leben allein in Deutschland ungefähr 1,3 Millionen Menschen mit Demenz. Ihre Zahl wird sich bis zum Jahr 2050 verdoppeln. «revolver besorgen» geht den Spuren dieser Leben nach. Sind diese Menschen wirklich für die Welt verloren, wenn sich ihre Erinnerung nicht mehr den Ansprüchen der Welt fügt?

Die Regisseurin und Choreografin Helena Waldmann beschreibt die Fähigkeit, vergessen zu können, als eine essenzielle Grundfunktion des menschlichen Gedächtnisses, die befreit wie die antike Lethe, wie der Strom des Vergessens oder wie die Löschtaste des Computers. Ausgerechnet im Theater, dieser professionellen Anstalt des Erinnerns, in der es um das Memorieren von Sätzen oder um das Wiederholen von Schritten geht, um das Erhalten eines Repertoires oder einer Tradition, zeigt Waldmann in ihrer Choreografie das Vergessen.

Brit Rodemund wird auf der Bühne im Verlauf der 60 Minuten zu ihrem eigenen Zwilling – eine klassische Ballerina mit umwerfender Präsenz, eine Suchende, für die alles, sogar der eigene Körper, ein Wunder ist. Dann lacht sie über das Befreiende, das im Vergessen steckt – und sie weiss, dass ein Revolver den Abschied aus einer Welt ermöglichen kann, die sie nicht mehr versteht.

Im Anschluss an die Vorstellung vom 5.9. findet ein Publikumsgespräch statt. 


Konzept / Regie / Choreografie: Helena Waldmann | Mit: Brit Rodemund | Stückentwicklung / Dramaturgie: Dunja Funke | Musik: Gustav Mahler, Johann Strauss, Zeitkratzer, Nat King Cole | Licht: Herbert Cybulska | Kostüm: Mari Krautschick | Choreografische Mitarbeit: Tim Plegge | Radiofeature: Dunja Funke, Helena Waldmann | Tonschnitt: Tito Toblerone | Lichtassistenz: Yvonne Standtke | Technische Leitung / Licht on Tour: Carsten Wank | Ton on Tour: Stephan Wöhrmann | Produktion: Helena Waldmann und Ectopia Dance Productions /// Koproduktion: Dance 2010, Festspiele Ludwigshafen im Theater im Pfalzbau, Forum Freies Theater Düsseldorf, Hellerau – europäisches Zentrum der Künste Dresden, O Espaço do tempo Montemor-o-Novo, Théâtres de la ville de Luxembourg
Das Gastspiel wird unterstützt von der GGG Basel

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